Warum MoVe35?

Bei diesem Nahverkehrsplan kann man mit gutem Gewissen von einer Revolution sprechen!

Warum das so ist, wird einem schnell klar, wenn man die Liniensteckbriefe innerhalb des Nahverkehrsplans mit dem Status Quo vergleicht: Hier fällt sicherlich als aller erstes der geplante Halbstundentakt in der Hauptverkehrszeit in die Außenstadtteile ins Auge: 30 Minuten gleichen einer Revolution. Das heißt: Wenn ich aus dem Kaufhaus Ahrens auf die Universitätsstraße trete, wieder nachhause in die Außenstadtteile will, dann warte ich entweder 0, 1, 2 etc. oder auch 28, 29, 30 Minuten. Macht im Schnitt: 15 Minuten. Mal mehr, mal weniger. Aber bisher waren es 30 Minuten allein im Schnitt. Das war zugegebenermaßen nicht wirklich attraktiv, um das Auto auch mal an kalten Novembertagen stehen zu lassen und mit dem Bus zum Einkaufen in die Stadt zu fahren.

Aber es ist nicht nur der Takt: Auch wird das Angebot massiv ausgeweitet. Es scheint absurd: Aber vor 14 Uhr kommt man momentan am Wochenende beispielsweise mit den Öffentlichen weder rein noch raus aus der Stadt. Auch hier setzt der Nahverkehrsplan an: Erste Busse verkehren sonntags ab 10 Uhr; die Bedienung erfolgt künftig an allen Tagen bis 1 Uhr nachts. Und dazu teilweise auch auf neuen Verbindungen: Von Moischt und Schröck geht es dank neuer Linienführung über die Zahlbach zukünftig mehr als doppelt so schnell in die Innenstadt. Aus Bauerbach und Ginseldorf kommt man zukünftig auch nach Schröck mit dem Bus und die westlichen Stadtteile bekommen perspektivisch mit der angedachten Verlängerung der Linie 5 ebenfalls eine neue Direktverbindung zu den Behringwerken und in die Marbach sowie in diesem Fall dann auch zum Hauptbahnhof.

Doch wird bei aller Euphorie für die Außenstadtteile in diesem Plan oft übersehen, dass auch die Kernstadt enorm profitiert. So wird die Bedienung auf den Linien 3, 6 und 8, die bislang werktags und samstagabends gegen 20 Uhr endete sowie sonntags komplett auf ASTs umgestellt wurde, ebenfalls in sämtlichen Betriebszeiten mit Bussen ausgeweitet. Dadurch bekommen das innere Südviertel (Linie 3), das vordere Ockershausen (Linie 8), der Ortenberg (durch die Umschichtung auf die Linie 2) sowie auch der Bereich rund um die Adolf-Reichwein-Schule/Cappeler Berg (Linie 6) nun endlich ein volles Busangebot an Abenden und Sonntagen. Zeit wird’s! Hierdurch steigt dann auch in den Randzeiten die Anzahl der Busse auf der Innenstadtachse in den Randzeiten automatisch. 30 Minuten Wartezeit auf den nächsten Bus vom Hauptbahnhof zum Rudolphsplatz wie es heute sonntagabends der Fall ist – auch das dürfte dann Geschichte sein.

Aber zur Wahrheit gehört auch, dass alles das, was ich jetzt bejubelt habe, der Idealfall ist: Wenn wir all das umgesetzt bekommen, was wir uns mit diesem Nahverkehrsplan vorgenommen haben. Denn: Wir sind als Stadt Marburg mutig und geben zukünftig jährlich eine immense Mehrsumme an Geld aus, um diesen Nahverkehrsplan zu finanzieren. Weil es uns das wert ist! Und weil wir Wort halten. Wer mit MoVe35 die Anteile des „MIVs“ (motorisierter Individualverkehr) am Gesamtverkehrsaufkommen senken möchte, der muss eben auch Alternativen aufzeigen.

Lassen Sie uns heute den Grundstein für die nächsten fünf Jahre ambitionierten Nahverkehrsausbaus legen! Und lassen Sie uns vielleicht sogar in den nächsten Jahren einen gemeinsamen Schritt über den Taktausbau hinausgehen. Denn der Nahverkehrsplan zeigt auch noch einige Herausforderungen, die wir angehen sollten. So haben einige Stadtgebiete noch in keiner zumutbaren Entfernung eine Bushaltestelle liegen. Hier müssen wir über eine Ausweitung alternativer, bedarfsgerechter Mobilitätsformen nachdenken. Gerade auch für die Höhengebiete der Stadt mit einem hohen Anteil an Seniorinnen und Senioren. Auch dürfen die Schnellbusse und Nachtbusse, die als „langfristiger Prüfauftrag“ vermerkt sind, gerne schneller kommen. Und auch die diagnostizierte schlechte Vertaktung zwischen Bus und Bahn am Hauptbahnhof darf gerne schneller ausgebaut werden. Daher: Heute beschließen; aber die nächsten Jahre nicht schlafen, sondern den Busverkehr stetig evaluieren und gemeinsam im Sinne der Stadt und der Verkehrswende zügig immer weiter verbessern.

Wir denken schon jetzt - auch ohne MoVe35 - an die schwächeren Verkehrsteilnehmer:innen: Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. So stellen wir eine halbe Million Euro zur Unterhaltung der bestehenden Fuß- und Radwege zur Verfügung und erhöhen gleichzeitig den Ansatz zum Bau von neuen im Vergleich zu 2023, planen weiter den Radschnellweg Marburg-Gießen sowie den Umbau des Südbahnhofs oder stellen Gelder ein für Maßnahmen zur Verkehrsreduzierung für geplagte Ockershäuser Anwohner*innen. Auch in Machbarkeitsstudien in Bezug auf einen Bahnhalt Marburg-Mitte und den Aufbau von Mobilstationen stecken wir weiter Geld. Mobilstationen sind hierbei ein Anfang; langfristig sind wir aber von der Sinnhaftigkeit der Errichtung von Fahrradparkhäusern am Bahnhof und am Pilgrimstein genauso überzeugt wie von der stetigen Schaffung von Quartiersparkhäusern in Bezug auf die Entlastung und Aufwertung des oft vollgeparkten öffentlichen Straßenraumes.

Bei vielem schwingt MoVe35 dann irgendwie auch mit, wie beispielsweise bei den Quartiersparkhäusern. Aber es ist eben wichtig, auch „out of the box“ – also außerhalb von MoVe35 – kleinere Dinge umzusetzen, wie eben der Aufbau eines Lastenradverleihsystems.

Der Klimawandel duldet kein Maßnahmenmoratorium! Mobil bleibt nur, wer mobil bleibt in seinem Denken, Handeln und Umsetzen.

Stadtverordneter Lukas Ramsaier
Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Stadtverordnetenversammlung 29.09.2023

Stadtverordneter Lukas Ramsaier